Ist das Kunst? Oder kann das weg?

»Kreativität« ist gefragt! Kaum eine Stellenbeschreibung, wo sie nicht auftaucht. Während viele Menschen sich unter "Kreativität“ bunte Bilder oder schicke Designerobjekte vorstellen, steckt dahinter im Wesentlichen die kreative Intelligenz, welche neben der mathematisch-logischen oder der körperlich-kinästhetischen Intelligenz steht. Kreativität bedeutet die Fähigkeit, neue Wege zu denken, Originelles, Neues, Ungewöhnliches zu entdecken oder Bekanntes neu zu kombinieren – kurzum "divergent“ zu denken. Grundsätzlich stellen kreative Persönlichkeiten auch Rahmenbedingungen in Frage. Denn diese erweisen sich oft als kreativitätshemmend bzw. erst ihre Überwindung schafft Raum für neue Lösungen. Oft stoßen gerade jüngere Menschen damit auf Widerstände. Im Laufe ihrer Entwicklung eignen sie sich dann aber mehr und mehr konvergente – um nicht zu sagen konforme – Denkweisen an. Das "Verlernen“ divergenten Denkens gehört beinahe unwillkürlich zum Erwachsenwerden. Kreatives Potenzial junger Menschen wird so verschüttet.

Kreatives Design aus Müll?

33 SchülerInnen haben sich gerade auf ein Experiment eingelassen: Ein Projekt im Zeichen der Kreativitätsförderung! Thematisch drehte sich die Zeit um die Herstellung von Designobjekten, Möbeln und Modellen. Inhaltlich standen die Konzentration auf künstlerische Prozesse und die Kreativitätsförderung auf dem Programm. Als Besonderheit galt dabei, dass sämtliche Umsetzungsideen nur aus Abfällen und Restmaterialien hergestellt werden durften.

»Die Party ist vorbei«

Mit Blick auf die Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das Projekt wegweisend. Die Zeiten billiger Energien und unbegrenzter Rohstoffverfügbarkeiten sind vorbei. Die Besinnung auf Wiederverwertung, Verlängerung der Nutzungszeiten sowie das Interesse an handwerklicher Arbeit nehmen zu. Während künstlerische Arbeit aus den Resten der Wohlstandsgesellschaft im 20. Jahrhundert noch als ideologisch belastet belächelt wurde, erkennt die heutige Kunstdidaktik zunehmend deren Chancen. Die Auseinandersetzung mit Resten bietet pädagogische Möglichkeiten, die im "kognitiv belasteten“ Unterricht oft zu kurz kommen. 

Abfallmaterialien fördern Kreativität

Und jeder kennt Situationen, in denen Menschen künstlerisch tätig werden, weil Sie Materialien dazu anregen. Die Ergebnisse finden sich an Verkehrsschildern, Bahnscheiben oder Schulbänken. Hier setzt das didaktische Moment der Restenutzung an. Nicht nur, dass die Materialien von sich aus zu Gestaltungsideen einladen; auch ihre Neuverwendung setzt Ideen frei.

Kreativitätsförderung

Kreativitätsförderung kann sich nicht auf die Auswahl des Materials beschränken. Eine Kernfrage lautet: Inwiefern lässt sich kreatives Verhalten fördern? So erlebten die SchülerInnen manch ungewöhnlichen Moment. Sie lernten, sich auf den "Flow“ einzulassen, sich ihren künstlerischen Kräften hinzugeben. Einschränkende Rahmenbedingungen, wie die Produkt-, Leistungs– oder Stundenorientierung des regulären Unterrichts gab es nicht.

Wie wirft man z. B. ein rohes Ei unversehrt aus dem dritten Stock, nur mit Papier und Klebefilm bewaffnet? Auf welche Weise kann man nur aus Zeitung einen mehr als 3 Meter hohen Turm bauen? Lässt sich nur aus Einweg-Plastikflaschen eine Designerlampe konstruieren? Mit diesen und anderen Fragen durchliefen sie kreative Prozesse und stellten fest, dass dazu Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen zählen, die am Ende mit Glücksgefühlen belohnt werden. Die TeilnehmerInnen lernten: Unsere Denk- und Interpretationsmuster bestimmen unser Handeln. Wer sich (und andere) mit den typischen Aussagen wie »Das geht nicht« konfrontiert, blockiert neue Denkmöglichkeiten und verhindert damit kreative Lösungen.

Meditative Phasen, Bewegungsübungen und sogar Tanzeinlagen zur Aktivierung geistiger und körperlicher Energien rundeten das Projekt ab. Dabei entdeckten die SchülerInnen, welches Potenzial neue Verhaltens-, und Sichtweisen eröffnen: So mancher entdeckte für sich kreatives Denken und künstlerisches Schaffen sogar als eine Quelle individueller Glücksgefühle. Nicht zuletzt zeigt sich diese persönliche Befriedigung in den gelungenen Resultaten, die am Ende auch ausgestellt wurden.

(Frank M. Kretschmann)

 

© Frank M. Kretschmann, Hameln

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